Peschiera del Garda
Anschluss am Gardasee10 Uhr ist X-Zeit
Die Uhr in unserem Octi springt auf 10:00 und wir fahren los. Auf gehts nach Italien. Nach fünf Stunden Fahrt und einer Pause in Bozen werden wir in Peschiera del Garda ankommen.

Der erste Eindruck
Völlig entspannt erreichen wir die Boutique Villa „Sara“ in Peschiera. Es ist so, wie wir es uns vorgestellt haben. Ganz modern und minimalistisch eingerichtet. Für unseren Geschmack fehlt ab und zu mal ein Farbtupfer und ganz so minimalistisch müsste es wegen uns auch nicht sein. Wir beziehen die Wohnung Attico mit herrlichem Blick auf den Mincio, dem einzigen Abfluss des Gardasees. „Der Mincio mündet im Po und fließt dann bis ins Meer“, erklärt uns Nicola, der freundliche Verwalter dieses Anwesens.
Unser weißer Octi macht sich gut auf dem sonnengeschützten Privatparkplatz direkt vor dem Haus. Und den hauseigenen Pool werde ich bald benutzen.



Von Peschiera über Sirmione nach Desenzano
Knapp 50 Kilometer Fahrradstrecke zeigt unser Navi an. Ohne nennenswerte Höhenunterschiede. Das schaffen wir locker. Dean mit seinem E-Bike sowieso und ich bin gut trainiert. Zwei Kilometer der Strecke sollen füt Fahrräder gesperrt sein. Direkt am Strand. Eben da, wo es eng wird und die bepackten Sonnenanbeter zu ihren Liegeplätzen eilen. Wir erreichen diesen Teil der Strecke und schieben unsere Räder. Nicht alle Fahrradfahrer tun das.
Wir erreichen Sirmione. Den gehobenen Ferienort am Südufer des Gardasees. Die Geschichte dieser Halbinsel reicht bis ins zweite Jahrtausend v. Chr. zurück. Als erstes empfängt uns das Castello Scaligero. Eine im Wasser gebaute Burg. Dann tauchen wir in die Gassen der Altstadt ein und schlendern zu den archäologischen Sehenswürdigkeiten dieser Stadt. Auf unserem Weg zu den Grotten des Catull kommen wir an dem Haus vorbei, das Maria Callas einst bewohnte.
Weiter gehts nach Desenzano, unserem heutigen Tagesziel. Dean war da schon mal. In den 60-iger Jahren. Seine einzige Erinnerung daran ist eine Fischvergiftung, die er nach einer Kindergeburtstagsfeier auf dem Campingplatz mit reichlich Übelkeit auskurieren musste. Desenzano ist ein schönes Städtchen in dem wir es uns bei Kaffee – natürlich italienischen Espresso – und Kuchen gemütlich machen. Als Dean die Rechnung mit seinem Bezahlring beglich, entrückte der jungen Bedienung ein spontanes und entzücktes „ooh nice“, wofür sie sich sofort entschuldigte. Ihr Erlebnis aber erzählte sie augenblicklich ihren Kolleginnen.
Wir machen uns auf den eher fahrradunfreundlichen Weg zurück nach Peschiera del Garda.






Borghetto – Ein Ort zum Verlieben
Das Dörfchen Borghetto muss aus dem Malbuch entsprungen sein. Knapp 15 Kilometer Fahrt am Mincio entlang taucht wie aus dem Nichts dieser prachtvolle Ort vor uns auf. Klein aber fein. Touristen en masse, aber so ist es wohl um diese Zeit am südlichen Gardasee. Auf dem Weg dorthin begegnen uns bis zu 36 Fahrradfahrer pro Kilometer Strecke. Wahnsinn! Erst später erfahren wir, dass heute – am 02. Juni – ein nationaler Feiertag in ganz Italien ist. Man feiert die Gründung der Republik Italien am 02.06.1946. Na ja. Der bevorstehende Beginn der Pfingstferien in Deutschland lässt wohl keine Besserung erwarten. Wir sind froh, diesen wundervollen Ort schon heute besucht zu haben.



Filterkaffee – Ich glaube es nicht
Ich liebe meinen Mann. Dean ist mein treuer Wegbegleiter seit über 40 Jahren. Manchmal etwas eigen, aber ich weiß damit umzugehen. Heute aber, in unserer Ferienwohnung in Peschiera del Garda, will er unbedingt eine Kaffeemaschine, mit der man Filterkaffee zubereiten kann. Er belehrt den Vermieter, dass das in Deutschland so üblich sei und die vorhandene Espressomaschine ja keinen richtigen Kaffee machen könne. Mal abgesehen davon, dass jüngere Generationen auch in Deutschland wohl wenig Interesse an Filterkaffee haben, wir befinden uns in Italien! In dem Land, wo der Espresso erfunden wurde. Zumindest die erste Espressomaschine mit der legendären E61 Brühgruppe. Von Ernesto Valente für eine Espressomaschine von Faema. Bekanntlich steht „61“ für das Jahr 1961 und „E“ für Eclipse, also für eine Sonnenfinsternis, die genau in diesem Jahr stattfand. Und Dean will eine Filtermaschine. Ich glaube es nicht.
Noch am selben Tag besorgen wir einen kleinen Kunststofftrichter mit dem er schon am nächsten Morgen Filterkaffee zubereiten kann. Ich aber trinke genüsslich meinen Espresso aus der Espressomaschine in unserer Ferienwohnung in Peschiera del Garda.
Mit dem Zug nach Verona
Von Peschiera ist es nach Verona nur noch ein Katzensprung. Wir entschließen uns mit dem Zug zu fahren. Eine Station, Fahrtzeit 15 Minuten und 3,70€ pro Person und Strecke. Entspannt kommen wir da an, wo es bald vor opernbegeisterten Gästen wimmeln wird, Verona Porta Nuova. Die Arena von Verona erreichen wir nach 15 Minuten zu Fuß und checken gleich zu einer Besichtigungstour ein. Blöd, dass gerade die Vorbereitungen für die Eröffnung der Opern-Festspiele laufen. Teile der Arena, die uns an das Colosseum in Rom erinnert, sind nicht zugänglich. Daher gibt es einen um 25% reduzierten Eintrittspreis.
Klar, dass wir – wenn wir schon mal in der Gegend sind – auch Verona anschauen wollen. Heute entschliessen wir uns dazu. Ein herrlicher Sommertag ist angesagt und die Bahnfahrt von Peschiera nach Verona dauert etwa eine Viertelstunde und kostet 11,50€. Hin und Zurück für zwei Erwachsene im Regionalzug (RB). Der Zug fährt einmal pro Stunde auf der Strecke von Milano nach Verona. Er ähnelt einer S-Bahn in München. Das Ticket muss am Bahnsteig entstempelt werden.
Dean ist happy. Die Arena bietet ihm wieder mal Gelegenheit den in ihm verborgenen Cäsar erscheinen zu lassen. Ich bin auch happy. Die Arena ist eindrucksvoll. Und die Akkustik unbeschreiblich. Auch, wenn wir nur die Arbeiter hören, die mit dem Bühnenaufbau der bevorstehenden Saison beschäftigt sind, können wir uns gut vorstellen, wie atemberaubend eine Opernaufführung sein muss.
Bei bestem Sommerwetter um die 34 Grad schlendern wir weiter zur Casa di Giulietta, dem Haus mit dem berühmtesten Balkon der Weltliteratur. Davor eine Bronzestatue der jungen Julia Capuleti. Der Besucherandrang ist heute eher mäßig. Dennoch verzichten wir auf eine Innenbesichtigung. Auch die Tomba di Giulietta – ihre Grabstelle – wollen wir nicht besuchen.
Stattdessen geniessen wir das sommerliche Treiben in den Gassen der Altstadt von Verona. Vor unserer Rückfahrt gönnen wir uns einen Espresso mit etwas Gebäck. Wir entscheiden uns für das Caffé Liston 12, direkt an der Piazza Bra gelegen und mit Blick auf die Arena. Sehr freundlich werden wir empfangen und fühlen uns sofort wohl. Ein sehr professioneller Service bestätigt unseren ersten Eindruck. Berücksichtigt man die exponierte Lage, sind die Preise einfach fair.












Kleinkriminalität live
Italien ist seit jeher berühmt für seine Taschendiebstähle. Wir sind vorbereitet und tragen unsere Wertgegenstände – sofern wir sie überhaupt dabei haben – gut verstaut in einer verschlossenen Hosentasche. Als wir durch die Gassen nahe der Arena schlendern, hören wir ein lautes „Hey“. Und es rennt ein junger, sportlicher Mann mit einem Grinsen im Gesicht in etwa 50 Meter Entfernung an uns vorbei. Ich schaue in die Richtung woher er kam. Dort sehe ich zwei Taschen auf der Straße liegen, die ein anderer junger Mann für seine Begleiterin – sie befand sich etwa 100 Meter hinter ihm – aufhebt. Leider wird mir erst in dem Moment klar, dass soeben – fast vor unseren Augen – ein versuchter Taschendiebstahl stattgefunden hat. Zum Glück ging er glimpflich aus. Der Taschendieb ließ seine Beute auf der Flucht einfach fallen.
Brescia – Erinnerungen werden wach
Vor 10 Jahren waren wir hier schon einmal. Auf der Durchreise nach Frankreich legten wir in Brescia einen Zwischenstopp ein. Heute fahren wir mit dem Zug von Peschiera nach Brescia. Etwa 25 Minuten dauert die Fahrt über Desenzano nach Brescia. 4,80€ kostet das Ticket pro Person und Fahrt, das wir uns am Bahnhof in Peschiera besorgen. Wir nehmen auf dem Hochdeck der Regionalbahn Platz und genießen den Ausblick zum Gardasee.
Zuerst erklimmen wir die Burg. Gut 200 Stufen sind zu bewältigen, bevor man an dem originalgetreuen Nachbau der Zugbrücke ankommt. Ein herrlicher Blick in alle Himmelsrichtungen entschädigt für die Strapazen.
Unseren Espresso trinken wir am Fuße der Burg, im Cuba Caffè Brescia.
Der kapitolinische Tempel in Brescia – seit 2011 auf der Liste des UNESCO-Welterbes – besuchen wir als nächstes. Es folgen die Ruinen des römischen Theaters, der Domplatz, die Piazza della Loggia sowie die astronomische Uhr mit seinen beiden „Verrückten der Stunden“. Die Uhr stammt aus dem 16. Jahrhundert und ist noch heute voll in Betrieb. Die Statuen an der Spitze des Turms schlagen die vollen Sunden und werden daher Macc dè lé ure genannt.
Bevor wir uns wieder in Richtung Bahnhof bewegen schlendern wir noch durch die Altstadt und natürlich durch die Zanardellistraße. Eindrücke über die wichtigsten Sehenswürdigkeiten der zweitgrößten Stadt der Lombardei nehmen wir ein zweites Mal mit nach Hause.






Das „X-Zeit Problem“
Ich liebe meinen Mann. Aber immer will er zu einer bestimmten Uhrzeit los. Wenn wir um 10.00 Uhr nicht unterwegs sind, wird er unruhig. Ich schaffe es manchmal aber einfach nicht „pünktlich“ fertig zu sein. Entweder schlafe ich – mal wieder – zu lange oder ich drösele so vor mich hin. Meist aber fällt mir dies und das noch ein, was unbedingt vorm Verlassen des Hauses erledigt werden muss. Dean fragt dann nur: „Muss das jetzt sein?“ Und ich antworte inzwischen aus Reflex: „Ja.“ Aber darüber nachgedacht, ob das alles wirklich jetzt erledigt werden muss, habe ich noch nie.
Per Autobus nach Malcesine
Eineinhalb Stunden dauert die Busfahrt von Peschiera nach Malcesine. Obwohl der Bus in S. Benedetto di Lugana startet und Peschiera Bahnhof der erste Halt ist, kommt er nahezu voll besetzt und mit 10 Minuten Verzögerung am Bahnhof in Peschiera an. Wir steigen ein und bekommen noch zwei der letzten Sitzplätze. Es ist 9.45 Uhr. Eine Haltestelle später leert sich der Bus. Komisch, obwohl Menschenmassen im Minutenrhythmus vom Bahnhof in Peschiera abgeholt werden, um kostenlos ins Gardaland gefahren zu werden, leert sich dieser Bus an der Haltestelle Gardaland nahezu völlig. Wenige Fahrgäste fahren eine Station weiter zum Movieland oder zur Canevaworld und nur Dean und ich fahren die herrliche Küstenstraße – entlang den deutschen „Walfahrtsorten“ Lazise, Bardolino und Garda – weiter bis zur Endstation Malcesine. Mit der Seilbahn wollen wir in die Berglandschaft des Monte Baldo auf 1760 Metern Höhe. Wir bekommen einen Schreck. Die Talstation der Seilbahn ist gerade zu erkennen und schon sehen wir eine Schlange von Menschen, die anscheinend das gleiche vorhaben wie wir. Es ist 11.15 Uhr. Dean besorgt uns zwei Tickets. Stolze 54,00 EUR werden uns für die Berg- und Talfahrt abgeknöpft. Mit dem Hinweis, dass wir erst um 12.30 Uhr die Bergfahrt antreten können. Pünktlich sollen wir sein. Pünktlich stehen wir am Eingang der Talstation. Die Schlange hat sich deutlich reduziert. Im Innern der Talstation heisst es dennoch wieder anstehen und warten. Die Bergstation erreichen wir gegen 13.15 Uhr. 90 Minuten Busfahrt und 90 Minuten Warten, so verläuft unser Ausflug bisher.
Dean ist sichtlich genervt. Brav aber tapselt er – endlich auf dem Bermassiv angekommen – mit mir mit und wir genießen gemeinsam den atemberaubenden Ausblick auf den Gardasee und nordöstlich in die Alpen. Herrlich. Gleitschirmflieger schweben über der Berglandschaft, kaum zu erkennen Sonnenlicht der Mittagszeit. Ein mäßiger Wind aber treibt sowohl die Gleitschirmflieger in die Höhe als auch uns den Schweiss von der Stirn. In Malcesine werden die Gleitschirmflieger landen. Wie lange sie schweben werden wissen wir nicht. Aber es ist schon schön hier oben, sehr schön. Allerdings sind auch sehr viele Touristen – wie wir – hier oben. Für deren Unterhaltung sorgt eine Bar mit tollem Ausblick auf den Gardasee. Liegestühle laden zum Sonnenbaden ein und Sitzgarnituren an der Skyfront bescheren Panoramafeeling. Leere Magnumflaschen Schampus sehen wir hier schon zur Mittagszeit. Der „SkyWalk“ – so der Name der Bar – ist gut besucht. Und aus den Lautsprechern ertönt Musik. Nicht zu laut, aber überhören kann man sie nicht, die Lieder aus den 70-ern. Alles Lieder die wir kennen – T-Rex, Sweet, The Animals usw. – aber heute nicht mehr unbedingt hören müssen. Ist hier die Zeit stehen geblieben, fragen wir uns oder hält man wirklich so sehr an der Aufbruchstimmung der 60-er und 70-er Jahre fest, als die deutschen Urlauber den gardasee entdeckten? Wir bestellen unseren Espresso ein paar Schritte weiter im beschaulichen LOCANDA BAITA DEI FORTI.









Unser Fazit: Einmal Gardasee genügt!
Zumindest im Juni. Man hört nur deutsch. Im Bus, in der Seilbahn, auf dem Monte Baldo und in Malcesine. Man sieht auf den Straßen nur Autos mit deutschem Kennzeichen. Deutschland am Gardasee scheint mindestens von Malcesine bis Lazise zu reichen. Aber auch in Peschiera hören wir sehr viel deutsch. Im Auslandsurlaub wollen wir das nicht. Und Posing erleben wir überall. Hier scheint es jedoch eine notwendige Eigenschaft zu sein. Noch immer können wir es amüsierend beobachten, manchmal nervt es aber nur.
Am Gardasee ist es sehr schön, nocheinmal fahren wir nicht mehr hin.